"Lesen, Schreiben, Rechnen, Selberdenken" - die vier Disziplinen der "Weiberbildung" nach meinen Ahninnen!
Meine schlesische Urgroßmutter Selma und ihre Tochter, meine Großmutter Elfriede (sie nannte sich Frida), führten in ihrer Zeit "ein Haus".
Selma Dietrich engagierte sich als Mutter von 4 Töchtern (innerhalb von 20 Jahren) - sowie durchgängig berufstätige Lehrerin und Ehefrau eines Studienrates und Schulleiters, selbst mit dem Herzensfokus auf Mädchenbildung.
Hauptberuflich lehrte Selma in gehobenen Kreisen, also die Töchter des erwachenden Bürgertums. Ihre exzellenten Verbindungen nutze sie, um zudem den Unterricht für die einfachen Mädchen zu finanzieren, die sich allein aus finanziellen Gründen keinerlei Schulbildung hätten leisten können!
Kurzum: Sie betrieb Fundraising und agierte als Sozialunternehmerin.
Ihre jüngste Tochter Frida Petruschke (geborene Dietrich) wurde 20 Jahre nach der ältesten Tochter Edith geboren und wuchs somit mit drei sehr selbstbewussten älteren Schwestern auf. Frida vernetzte später mit feinem Gespür (und gemeinsam mit ihrem Mann Edwin) Menschen aus Kultur, Wissenschaft, Medizin, Wirtschaft und Politik in Breslau und Reichenbach (Oberschlesien).
Der innerste Kreis ihrer Salons erreichte bis Ende der 1930er Jahre, dass alle jüdischen Mitglieder wohlbehalten, inklusive ihrer Privatvermögen, an sichere Orte auswandern konnten.
Ich bin also die Dritte im Bunde der Salonièren!
Und fühle mich in der Salongeschichte so sehr zuhause, um den Zeitgeist mit Esprit in die nächste Runde zu tragen: Seit Mai 2000 initiiere ich in verschiedenen Formaten und an wechselnden Orten meine "Biografischen Erzählsalons" - gezielt gerichtet an Frauen in Wandlungsphasen.
Begonnen habe ich im Mai 2000 mit den "businesswoman"-Unternehmerinnensalons, die über 8 Jahre im Tivoli Pavillon des Hotel Park Hilton am Englischen Garten zuhause waren.
Im letzten Jahrzehnt führte ich das monatliche "Salonfrühstück" (2013 bis 2018) im "Hotel König Ludwig" und den abendlichen "Salon Bühne frei!" (2015 bis 2017) im "Kleinen Max". Durch die Kooperation mit Hotels und Restaurants verbanden sich nährende Gespräche und feine lukullische Genußmomente ganz wunderbar!
Die ersten salonartigen Zusammenkünfte fanden um 1470 in Italien statt,
als bewusster Gegen-Entwurf zum streng reglementieren Hof-Zeremoniell, das auch Frauen "von Rang" keinerlei Selbstausdruck außerhalb des Hofes zubilligte. Federführend und in gewisser Weise Pionierin war seinerzeit Elisabetta Gonzaga im ehelichen Sala delle Veglie in Urbino.
Eine Salonkultur entwickelte sich aus gleichem Antrieb ab 1600 in Frankreich. Das Gemälde links zeigt den Literarischen Salon der Marie-Thérèse Geoffrin.
Salons waren im Ursprung Treffpunkte adliger und intellektueller Kreise, die von gebildeten, zumeist wohlhabenen, oft adligen Frauen gegründet wurden:
Aus heutiger Sicht agierten sie sozusagen als Solopreneurinnen!
Die Gründerinnen - die Gastgeberinnen wurden Salonièren genannt - schufen eine stilvolle Atmosphäre, um unterschiedlich orientierte Menschen frank und frei miteinander ins Gespräch zu bringen.
Die Unterschiedlichkeit wurde als besondere Quelle der Inspiration gesehen: So wurde in den Salons ebenso philosophiert, wie diskutiert und debattiert. Freimütiger Gedankenaustausch der Frauen untereinander, aber auch zwischen Frauen und Männern war ganz einfach möglich - und erwünscht. Schöngeistiges und die Kontaktpflege standen im Mittelpunkt der regelmäßig, zumeist wöchentlich stattfindenden Salons.
Genau diese Qualität von Begegnung macht auch heutzutage ein gelungenes Networking aus!
Viele der Salonièren führten darüber hinaus intensive Korrespondenzen mit Gelehrten oder gekrönten Häuptern, waren hoch geschätzte Ratgeberinnen ihrer Zeit. Einige Damen veröffentlichen ihre Briefsammlungen und publizierten Bücher zu ihren Fachthemen.
In der heutigen Zeit wären Sie sicher namhafte Autorinnen, Bloggerinnen und Influencerinnen!
Im 18. Jahrhundert bildete sich die Salonkultur auch in Deutschland und Österreich aus, bis der Nationalsozialismus den Salons in den 1930er Jahren einen Riegel vorschob: nicht zuletzt, weil einige der bekanntesten Salonièren dieser Zeit (beispielsweise in Berlin und Wien) selbstbewusste Jüdinnen waren.
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